Thomas Michl hat in seinem heutigen Gedankenblitz (Komplexität und Evolutionäre Systeme) darauf hingewiesen, dass er immer mal wieder einen gewisse Fundalismus in Bezug auf das Befolgen von Prozessen beobachtet und insbesondere in Kombination mit Sanktionen für Abweichler darin eine große Gefahr sieht. Ich stelle mir die Frage nach den Ursachen allzu prozessverliebter Denkweise.
Ich glaube, dass Thomas Michl völlig Recht hat, dass eine derartige Haltung langfristig den Tod eines Unternehmens bedeuten kann. Allerdings hat mich das auf den Gedanken gebracht, dass es einerseits einen Grund geben muss, dass viele Unternehmen trotzdem noch existieren und was andererseits der Grund für dieses Verhalten ist?
Meiner Meinung nach kommen hier drei Faktoren zusammen:
Erstens pflegen Menschen ein zwiespältiges Verhältnis zur Veränderung. Während man sich über den Verbesserungsbedarf oft (aber leider nicht immer) recht schnell einig wird und sich einen verbesserten Zielzustand wünscht, scheut man den Weg dorthin. Vielleicht auch deshalb, weil der Mensch nicht gut in die Zukunft planen kann und deshalb nicht weiß, ob der geänderte Zielzustand tatsächlich besser oder einfach nur anders ist.
Zweitens wäre da die von Thomas angesprochene hohe Veränderungsgeschwindigkeit, die einen immer auf Achse hält. Die kann zwar ihrerseits dazu beitragen, dass man durch positive Erfahrungen offener für Veränderung wird, aber für besagte positive Erfahrungen müsste man sich ja erstmal aufraffen.
Womit wir beim dritten Punkt wären, der darin besteht, dass zwar die allermeisten Prozesse gerne mal zähflüssig statt fluide, aber nur selten vollständig dysfunktional sind. Und weil der Mensch ein Gewohnheitstier ist, bleibt er lieber bei dem was er kennt.
Das erspart ihm, die Phasen der Veränderung zu durchlaufen, und gerade weil auch in den schlechtesten Prozessen immer noch ein gewisser Grad an Restfunktionalität vorhanden ist, fühlt er sich in seiner Haltung bestätigt.
Schließlich gilt Artikel 3 des Rheinische Grundgesetz:
Et hätt noch emmer joot jejange.
Dabei ist im Rheinischen Grundgesetz auch überliefert, dass nichts bleibt wie es war. Hätte das Gewohnheitstier Mensch doch bloß bis zum Ende gelesen. Schließlich wird er den Sprung irgendwann wagen müssen.