Was müssen wir tun, um unsere Ziele zu erreichen?
Das ist eine Frage, die nicht nur so manchen Menschen zum Jahresbeginn umtreibt, wenn der Kater verflogen ist und die guten Vorsätze schon wieder vom Winde verweht sind. Auch die Wissenschaft beschäftigt sich in verschiedenen Disziplinen und von verschiedenen Standpunkten aus mit diesem Thema.
In diesem Artikel möchte ich daher mal wieder einen Exkurs in die Psychologie machen und beleuchten, was die Motivations- und Volitionspsychologie dazu zu sagen hat. Dazu werde ich im Folgenden ein wenig auf die theoretischen Grundlagen unserer Handlungen eingehen und schließlich beleuchten, welche Werkzeuge und Strategien uns unterstützen können.
Aber zunächst mal eine kleine Begriffsklärung.
Einfach nicht genug motiviert oder was?
Ein Begriff, der den meisten Lesern dieses Blogs in den Sinn kommen könnte, wenn es um das Erreichen von Zielen geht, ist Motivation.
Gerade im Business-Umfeld ist oft und gerne die Rede davon, dass Motivation die Triebfeder zielgerichteten Handeln ist. Da ist die Rede von intrinsischer und extrinsischer Motivation und während die einen noch fragen, wie man die Mitarbeiter denn zur Leistung motivieren kann, fragen die Anderen: müssen wir nicht einfach ein Umfeld schaffen, in dem die schon vorhandene Motivation der Mitarbeiter nicht gehemmt wird?
So interessant die Frage nach der Motivation auch sein mag, so kurzgesprungen ist sie auch: denn Motivation steht nur am Anfang des zielgerichteten Handelns.
Im wissenschaftlichen Sinne beschreibt Motivation die Gründe für die Handlungen, Wünsche und Bedürfnisse eines Menschen. Viele Theorien ranken sich um die Motivation: wie diese Motivation zustande kommt, ob sie durch äußere Anreize beeinflusst werden kann oder sogar erst erschaffen werden kann.
Weitestgehend sicher ist aber, dass sie bestenfalls eine Erklärung für unsere Handlungsbereitschaft liefert.
Der Geist ist willig, doch das Fleisch ist schwach
Die Umsetzung in die Tat und letztlich in Resultate ist ein ganz anderes Kaliber, für den die Wissenschaft den Begriff der Volition kennt.
Im Volksmund wird dafür gerne der Begriff der Willenskraft bemüht und tatsächlich – auf dem Weg zum Ziel gilt es oft das ein oder andere Hindernis zu überqueren, sodass ein Bedarf an Willenskraft und anderen charakterlichen Eigenschaften wohl kaum geleugnet werden kann: etwa Beharrlichkeit, Tatkraft, Zielstrebigkeit sowie ein gehöriges Maß an Frustrationstoleranz. Schließlich sind nicht alle Hindernisse auf den inneren Schweinehund zurückzuführen. Manchmal spielen auch Umgebungsfaktoren eine Rolle: schlechte Werkzeuge, ein Chef der einen einfach nicht unterbrechungsfrei arbeiten lässt oder die nörgelnde Partnerin, die dem angehenden Nichtraucher rät „verdammt noch mal“ eine zu rauchen, bevor dieser ihr weiter auf die Nerven geht.
Der Begriff der Volition bezeichnet auch eher den Prozess: die bewusste, willentliche Umsetzung von Motiven und Zielen in konkrete Ergebnisse, durch zielgerichtete Steuerung von Gedanken, Emotionen, Motiven und Handlungen.
Dabei spielen auch Strategien eine Rolle – schließlich wird selbst die willensstärkste Person anerkennen müssen, dass sich eine Kuh durch bloße Willenskraft nicht vom Eis schieben lässt.
Das Rubikon-Modell – die Theorie zielgerichteten Handelns
Ein Modell, das beschreibt wie Motivation und Volition gewissermaßen ineinander greifen, ist das Rubikon-Modell 1 der Handlungsphasen von Heinz Heckhausen und Peter M. Gollwitzer.
In dieser idealtypische Vorstellung menschliches Handelns lassen sich unsere Handlungen in vier Phasen einteilen:
- Abwägungsphase
- Planungsphase
- Handlungsphase
- Bewertungsphase
In der Abwägungsphase geht es grob gesagt um die Zielbestimmung: unter all unseren Wünschen wählen wir diejenigen aus, dir wir momentan in Betracht ziehen und zielgerichtet verfolgen möchten.
Ist diese Phase abgeschlossen und ein Ziel bestimmt, geht es in die Planungsphase über, wobei wir gewissermaßen den „Schritt über den Rubikon“ machen.
Das kennzeichnet den Zeitpunkt der tatsächlichen Willensbildung und demnach (theoretisch) den „Point of no return“. Mit diesem Übergang ist oft ein interessanter Wandel verbunden: wir entwickeln in gewissem Maße eine Art Tunnelblick auf unser Ziel. All die anderen Optionen treten ein wenig in den Hintergrund und es stellt sich eine durchaus zweckdienliche Änderung unserer Informationsverarbeitung ein. Etwa könnte es sein, dass wir eher Informationen in der Umwelt wahrnehmen, die mit unserem Ziel zu tun haben – wer sich schon mal ein rotes Auto zulegen wollte und plötzlich überall rote Autos sah, wird wissen, was gemeint ist.
In der Planungsphase beschäftigen wir uns – logisch – nicht mehr mit dem was sondern wie wir unser Ziel erreichen.
Wenn wir dann schließlich in Aktion treten, treten wir in die Handlungsphase ein. Entscheidend in dieser Phase ist die Regulation unserer Anstrengungen und die Abwehr störender Einflüsse. Wenn es dabei nicht zum Abbruch unserer Handlungen kommt, wird zu einem bestimmten Zeitpunkt der Zielzustand erreicht und wir bewerten in der abschließenden Bewertungsphase das Ergebnis. Dabei geht es insbesondere auch um eine Analyse der Ursachen für Erfolg und Misserfolg – aus denen wir Schlussfolgerungen für künftiges Handeln ziehen können.
Soweit zur Theorie – in der Praxis werden natürlich nicht immer alle Phasen durchlaufen und es besteht natürlich auch immer das Risiko, dass wir den Zielzustand nicht erreichen. Sei es, weil wir uns in der Planungsphase verzetteln, uns die Puste ausgeht oder weil das Ziel einfach nicht realistisch zu erreichen war.
Von der Zielbestimmung bis zum Ziel
Anhand der Neujahrsvorsätze wollen wir uns mal ansehen, wie das in der Praxis ablaufen könnte und welche Strategien es gibt, um unsere Erfolgswahrscheinlichkeit zu erhöhen.
Wie entscheiden wir uns eigentlich für ein Vorhaben?
Die Psychologie behauptet, dass Wünsche bei uns Menschen in Überproduktion entstehen.
So reichen die guten Vorsätze der Deutschen von Themen wie Stressabbau, mehr Bewegung/Sport, besserer Ernährung bis hin zum Wunsch, endlich das Rauchen aufzugeben. Das zeigen beispielsweise die Statistiken aus einer jährlichen Studie der DAK.
Für den Erfolg eines Vorhabens sind gemäß empirischer Forschungen von Locke und Latham aber folgende Faktoren hilfreich:
- Wir sollten dem Ziel eine ausreichende Bedeutung beziehungsweise Wichtigkeit beimessen.
- Wir sollten eine genügend hohe Selbstwirksamkeitserwartung haben, dass wir das Ziel erreichen können.
- Wir können durch ein Commitment gegenüber anderen Personen unser eigenes Commitment für das Ziel erhöhen.
Leider verhält es sich mit unseren Ressourcen anders als mit unseren Wünschen und dementsprechend müssen wir für jeden Wunsch dessen Wert und Machbarkeit abwägen.
Dabei haben wir durchaus einige Strategien zur Verfügung: Wir können beispielsweise die Vor- und Nachteile (Was bringt es tatsächlich? Was spricht dagegen) und unsere Motive abwägen (Was verspreche ich mir davon? Mach ich das für mich oder um jemandem zu gefallen?) und auch darüber reflektieren wie hoch wir die Erfolgswahrscheinlichkeit einschätzen.
Kommen wir schließlich zum Ergebnis, dass wir einen Wunsch weiter verfolgen wollen, geht es im nächsten Schritt darum, sich ein konkretes Ziel zu setzen.
Ein erfolgsversprechendes Ziel festlegen
Nehmen wir einfach mal an, dass wir uns entschieden haben, uns mehr zu bewegen und mehr Sport zu treiben. Der nächste Schritt besteht nun darin, diese vage Zielvorstellung zu konkretisieren.
Über gute Ziele ist mittlerweile einiges bekannt: so wurde festgestellt, dass möglichst spezifische und eher schwierige Ziele zu einem positiven Ergebnis beitragen als all zu vage und tiefgestapelte Ziele. Ein Ziel kann spezifischer werden, indem es selbst messbar gemacht wird („50% mehr Produktivität“) oder indem man beispielsweise eine Anzahl Aufgaben festlegt, die für ein erfolgreiches Erreichen des Ziels erledigt werden müssen.
So könnte unsere Zielsetzung etwa wie folgt ausfallen:
„Ich möchte in jeder Woche des kommenden Jahres mindestens an drei Tagen in der Woche ins Fitnesstudio gehen und Sport machen“.
Der Spagat steht darin, ein ambitioniertes und trotzdem realistisches Ziel festzulegen – eine Hürde an der übrigens viele Unternehmensprojekte scheitern. 😉
In manchen Fällen kann es besser sein, sich Lernziele statt spezifischer Ziele zu setzen. Das ist etwa dann der Fall, wenn für das angestrebte Ziel zunächst Wissen oder Fähigkeiten erworben werden müssen oder ich aber noch gar nicht weiß wie das Ziel zu erreichen ist. Auch können Lernziele helfen, erste Erfolge zu erzielen und so die Selbstwirksamkeitserwartung zu verbessern.
Mögliche Lernziele in unserem Beispiel könnten sein:
- Über Sportaktivitäten informieren, die sich auch in einem hektischen Alltag unterbringen lassen
- „Jeden Sonntag ins Fitnesstudio gehen und einschätzen, wie gut das funktioniert“
Generell macht es Sinn, ein großes Ziel in kleinere Teilziele aufzuteilen, die schneller und leichter zu erreichen sind. Denn auch hier greift wieder der bei den Lernzielen schon angesprochene Effekt, durch kurzfristige Erfolge die Selbstwirksamkeitserwartung zu verbessern.
Vom Plan zur Tat und schließlich am Ball bleiben
Die wahrscheinlich größte Hürde besteht darin, uns selbst zum Handeln bewegen und sich später nicht aus der Bahn werfen zu lassen.
Ein Mittel, das uns laut einer Studie den inneren Schweinehund überwinden helfen kann, sind Implementation Intentions. Dabei geht es darum, sich im Voraus darüber Gedanken zu machen und festzulegen, wie man sich in bestimmten Situation verhalten möchte, um auf das gewünschte Ziel hinzuarbeiten. Diese Implementierungsintentionen haben in der Regel die Form von Wenn-Dann-Plänen und sollten bewusst formuliert werden:
„Wenn Situation X auftritt, werde ich Verhalten Y zeigen.“
Der Effekt von Implementierungsintentionen beruht darauf, dass sie uns vom bewussten Denken entlasten. Salopp gesagt wird es unwahrscheinlicher, dass wir unser Ziel im entscheidenden Augenblick einfach vergessen.
Meiner Erfahrung nach können Vorsätze auch mit (unweigerlich) aufkommenden Hindernissen helfen. Als ich vor einigen Jahren mit dem Rauchen aufgehört habe, habe ich mir beispielsweise überlegt wie ich mit Situationen umgehe, in denen das Verlangen all zu übermächtig erscheint. Damals habe ich für mich festgelegt, dass ich mir in diesen Situationen bewusst mache, dass dieser Moment wieder vorbei geht und das der Griff zur Zigarette es nur schlimmer machen würde – und es hat (meistens) geholfen.
Das führt uns direkt zu der Frage: wie können wir am Ball bleiben?
Dabei sollen vor allem verschiedene Kontrollstrategien helfen. Eine Möglichkeit ist beispielsweise die Umweltkontrolle, bei der ich versuche meine Umwelt derart zu gestalten, dass sie mich bei der Zielerreichung unterstützt. Wenn ich mir beispielsweise vorgenommen habe, morgens vor der Arbeit laufen zu gehen, könnte ich zum Beispiel die Laufschuhe in die Nähe der Haustür stellen. Oder alle Aschenbecher und Feuerzeuge aus dem Sichtfeld schaffen, wenn ich mit dem Rauchen aufhören will. Eine weitere Strategie ist die Aufmerksamkeitskontrolle, bei der ich mich bewusst entscheide eine aufkommende Versuchung zu ignorieren und meine Aufmerksamkeit auf etwas Anderes zu richten.
Und wenn wir doch scheitern?
Letztlich gelingt es nicht immer, unsere Ziele zu erreichen.
In diesen Fällen macht es Sinn sich damit auseinanderzusetzen, welche Faktoren zum Misserfolg beigetragen haben und ob man an diesen etwas ändern kann. Hier ist es wieder sinnvoll, das Thema möglichst offen und unvoreingenommen aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten. Möglicherweise hilft es uns, die Zielvorstellung zu überdenken und uns beispielsweise neue Lernziele zu setzen. Vor allem sollten wir uns aber auch nicht entmutigen lassen: manchmal ist ein nicht wahrgenommener Besuch im Fitnessstudio auch einfach nur ein temporärer Rückschlag.
Dann gilt es die Sporttasche erneut zu packen und einfach das nächste Mal hinzugehen.