Dieser Artikel beleuchtet, wie verschiedene Faktoren die Qualität unserer Diskussionen herabsetzen können, was „Skin in the game“ haben damit zu tun hat und weist auf Ansätze hin, wie man zu besseren Diskussionen und damit besseren Entscheidungen gelangen kann.
Weinend stürmte der Kollege aus dem Büro.
Die Tür knallte ins Schloss und Stille erfüllte den Raum. Für einen Moment blickten die verbleibenden Teamitglieder einander nur hilflos an, ein Kollege grinste verlegen, was in der Situation nicht die einzige Reaktion war, die seltsam unpassend wirkte.
Meine Augen funkelten. Ich war wütend.
Dann setzten die Gedanken und die Gespräche zwischen den verbliebenen Personen im Raum ein. In den Tönen mischte sich Ärger über das Verhalten des Kollegen und über mein Verhalten mit Hilflosigkeit und Resignation, aber auch Verständnis für seinen und meinen Standpunkt.
Was war passiert?
Vorangegangen war eine hitzige Diskussion, eine Entscheidung und schließlich die Frage, ob die Mitglieder des Teams die Entscheidung mittragen würden. Der Tropfen, der das Fass schließlich zum Überlaufen brachte, war eine Aussage des Kollegen, die ich als die fehlende Bereitschaft auffasste, eine vom Team getroffene Entscheidung mitzutragen ohne sie zu torpedieren.
Eben dies hatte ich ihm vorgeworfen, kurz bevor er aus dem Raum gestürmt war. Für mich war das in diesem Moment die Wahrheit und vielleicht war es das auch für andere Personen im Raum – die ganze Wahrheit war es aber nicht.
In der Diskussion war es um nicht weniger als eine Grundsatzentscheidung gegangen, auf welche Technologie das Team in den nächsten Projekten setzen wollte. Argumente waren ausgetauscht worden, bei denen technische Aspekte genau wie der Wissensstand der einzelnen Kollegen berücksichtigt worden war: ein Musterbeispiel für eine nüchterne, rationale Entscheidung und einer sachlichen Debatte?
Wohl kaum.
Die Diskussion hatte Gewinner und Verlierer hervorgebracht. Sie war persönlich geworden und genau das war es, was sich schließlich in dieser Eskalation entladen hatte.
Skin in the game
Skin in the game – diese Metapher wird gerne Warren Buffet zugeschrieben, dem Business-Magnat und einem der erfolgreichsten Investoren der Welt, auch wenn es zumindest Zweifel an ihm als Urheber der Redewendung gibt.
Diese Phrase beschreibt das Risiko, einen Verlust zu erleiden, wenn man ein persönliches Interesse an dem Erreichen eines Ziels hat.
Das Risiko einer schlechten Entscheidung also, weil man sich bei der Entscheidungsfindung beispielsweise von getätigten Investitionen (Sunk cost fallacy) oder aber von der (vermuteteten oder tatsächlichen) Aussicht auf mögliche Vorteile beeinflussen lässt.
Wir alle sind in diesem Risiko in gewissem Maße ausgesetzt, auch wenn wir uns gerne einreden, rein rationale Entscheidungen zu treffen.
Spurensuche nach wenig hilfreichen Faktoren
Bei der beschriebenen Diskussionen gab es gleich bei mehreren der Teilnehmer Faktoren, die den Verlauf der Diskussion beeinflusst haben dürften.
Zwei der Teilnehmer hatten in der einen, letztlich gewählten Technologie bereits signifikante Erfahrungen gesammelt oder zumindest genug, um dafür ein Interesse entwickelt zu haben. Eines dieser Teammitglieder war ich – und ich hatte zwar Erfahrung mit beiden Technologien, aber sehr wahrscheinlich nicht genug um eine wohl-informierte Abwägung der Vor- und Nachteile vornehmen zu können. Für eine persönliche Präferenz und Interesse meine Kenntnisse auszubauen reichte es aber.
Und der Kollege, der aufgelöst aus dem Raum gestürmt war?
Auch er hatte Erfahrung mit beiden Technologien, wesentlich mehr aber mit derjenigen, die er schon seit vielen Jahren einsetzte.
Sicher war aber auch, dass sowohl seine als auch meine autodidaktischen Fähigkeiten gereicht hätten, sich mit der einen oder der anderen Wahl zu arrangieren. Letztlich zogen wir uns wohl Alle in unsere ganz eigene Komfortzone zurück, während wir oder vielleicht auch nur ich, mit aller Gewalt versuchten den Kollegen aus seiner raus zu ziehen.
Mit Sicherheit keine Glanzleistung bei der Konfliktlösung, auf die wir zurückblicken können.
Die sprichwörtliche Kuh auf dem Eis
Was aber können wir in zukünftigen Situationen tun, um die Kuh vom Eis zu holen oder besser erst gar nicht dort hin zu bugsieren?
Klar, wenn wir als Team erfolgreich sein wollen, dürfen wir keine Scheu vor Konflikten haben, aber vielleicht hätte die Diskussion zielorientierter ablaufen können, wenn man bereits in der Debatte die Vorboten erkannt und besprochen hätte, die letztlich zu diesem krachenden und mit Sicherheit für alle verlustreichen Ergebnis führten.
So lassen sich in der Gesprächsführung häufig Muster ausmachen: wenn die Teilnehmer etwa laut, aggressiv oder wütend werden; wenn die größten Vorteile der einen Seite mit den gravierendsten Nachteilen auf der anderen Seite verglichen werden oder wenn wir in gute und schlechte Lösungen unterteilen. Aber auch die Wiedergabe von Marketingaussagen, einseitige Fokussierung auf einzelne, für den Anwendungsfall vielleicht gar nicht relevante Aspekte oder all zu absolutistische Aussagen können ein Warnsignal sein.
„Das ist doch gar keine richtige Datenbank“
„Die Sprache ist viel zu magisch.“
„Java verbraucht schon beim Starten den ganzen Speicher – wie soll man damit performance-kritische Probleme lösen?“
Dabei sollten wir ja eigentlich die Vor- und Nachteile für unseren Anwendungsfall abwägen, auch nicht-technische Aspekte wie benötigte Zeit fürs Einlernen und dergleichen berücksichtigen und auf dieser Basis Entscheidungen treffen. Auch das magische Dreieck (Zeit, Aufwand, Qualität) bei unseren Entscheidungen im Hinterkopf zu behalten kann helfen.
Im Grunde hatten wir das versucht – uns letztlich aber dazu hinreißen lassen, weniger hilfreiche Faktoren die Überhand gewinnen zu lassen.
Eine mögliche Herangehensweise für bessere Debatten schlägt Nemil Dalal in seinem englischsprachigen Artikel Better software engineering debates vor und ich glaube, vieles davon lässt sich auch auf andere Kontexte übertragen.
Wie gesagt: das Risiko schlechte Entscheidungen zu treffen, weil wir beispielsweise „Skin in the game“ haben, aufgrund verschiedener kognitiver Vezerrungen oder weil wir uns von Marketingaussagen beeinflussen lassen, betrifft uns alle.
Seine Punkte sind:
- Wir sollten effektiv darin werden, die Faktoren zu erkennen, die unsere Diskussionen in ihrer Qualität herabsetzen.
- Wir sollten bei uns selbst darauf achten, mit welchen Vorlieben wir in Diskussionen einsteigen.
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Wir sollten auch bei den Aussagen von anderen Personen und Inhalten, die wir zur Entscheidungsfindung heran ziehen, darauf achten, ob es potenzielle Probleme mit der Quelle gibt und dass wir diese kennen und verstehen.
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Wir sollten zu überlegten Diskussionen anregen, indem wir Tradeoffs diskutieren und auf Faktoren hinweisen, die negativen Einfluss auf die Qualität unserer Diskussionen haben.
Sein Artikel war es, der mich zu diesem Artikel angeregt hat, und so schließe ich mit der Empfehlung eben diesen Artikels. Denn er geht noch viel detaillierter auf qualitätssenkende Faktoren für Diskussionen ein, woran man sie erkennt und wie man es eben besser machen kann.
Also dann: auf bessere Diskussionen und Entscheidungen.