Mental Load: ran da, Männer!

Meine Frau ist die Wucht. An was sie alles denkt, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue.

Written by Patrick Schönfeld · 4 min read >
Illustration bei der eine Frau mit einer vollen und ein Mann mit einer weniger vollen Gedankenblase dargestellt wird

Meine Frau ist die Wucht.
An was sie alles denkt, beeindruckt mich immer wieder aufs Neue. Ehrlich gesagt würde ich das auch gerne können. Aber vielleicht sollte ich es nicht nur wollen, sondern auch tun?

Zunächst habe ich eine Frage an meine männlichen Leser. Wer bei euch zu Hause denkt daran, die Wäsche zu waschen, den Wocheneinkauf zu planen oder Vorsorgetermine beim Arzt zu machen? Oder bei einer Geburtstagsfeier: Wer denkt daran, ein Geschenk zu besorgen?
Und wenn Kinder im Haus sind: Wer denkt daran, die Vorräte an Babynahrung und nötigen Pflegeprodukten zu prüfen und aufzustocken?

Ich meine gar nicht so sehr den Akt des Machens. Es geht nicht darum, wer am Ende tatsächlich die Wäsche macht oder bei Aldi an der Kasse steht. Sondern darum, dass das Leben in einem Haushalt bzw. alle damit verbundenen Aufgaben auch organisiert werden müssen. Und da gibt es wirklich eine Menge Dinge, an die zuerst gedacht werden muss.

Was ist Mental Load?

Diese Belastung durch das ständige Drandenken, Priorisieren und Nachhalten nennt man Mental Load – und sie betrifft in den meisten Fällen Frauen, auch wenn diese selbst erwerbstätig sind (siehe “Alltagsorganisation bei Paaren und Familien: erwerbstätige Frauen übernehmen den Löwenanteil”).

Der Begriff wurde durch den Comic „You should have asked” (deutsche Übersetzung) bekannt. Darin erzählt Emma von einer Party, bei der die Gastgeberin gleichzeitig die Gäste in Empfang nimmt, das Essen fertigstellt und das Kind füttert. Schließlich kocht das Essen über, der Mann kommt vorbei und fragt, was sie gemacht hat. „Alles“, entgegnet sie – und er antwortet, sie hätte ja nur fragen müssen, dann hätte er geholfen. Als ich den Comic das erste Mal lese, fühle ich mich ertappt, denn auch ich habe in einem Streit mit meiner Frau etwas Ähnliches gesagt wie „Hättest ja nur was sagen müssen“.

Ich sage gerne, dass meine Frau und ich ein gutes Team sind – und das sind wir wirklich. Aber es ist schon so: meine Frau denkt an vieles, an das ich nicht denke. Auch für mich. Und manche Dinge wären eigentlich vor allem oder sogar ausschließlich meine Verantwortung. Und es ist ja so: soweit es unseren gemeinsamen Haushalt betrifft – bin ich genauso verantwortlich dafür.

Stell dir vor, du gehst zur Arbeit und erledigst deine Aufgaben.
Aber ein Kollege muss dir jede Aufgabe nennen, sie priorisieren, dich erinnern und sie manchmal, nach mehreren Erinnerungen, sogar selbst machen. Zusätzlich übernimmt diese Kollegin aber so schon rund die Hälfte – oder sogar ein bisschen mehr – der vorhandenen Aufgaben selbst. Wirkt das wie gleichberechtigte Teamarbeit?

Was die Wissenschaft sagt

Auch wenn das Thema vor allem von Feministinnen thematisiert wird, beschäftigen sich seit den 70ern verschiedene wissenschaftliche Disziplinen damit – unter Begriffen wie cognitive labour oder mental labour. Und sie alle stoßen auf dasselbe Problem: Mental Load ist schwer messbar, weil es bei Mental Load um Tätigkeiten geht, die sich nicht (zwingend) in physischer Aktivität niederschlagen.

Er findet im Kopf statt – als ständiges Grundrauschen. Und klar macht diese unsichtbare Last etwas mit Menschen.

Tatsächlich zeigen Studien aus der Psychiatrie und der präventiven Medizin, dass Frauen im Durchschnitt schlechter und weniger schlafen als Männer. Dabei wird der Schlaf von Frauen häufig durch Gedanken unterbrochen, die sich um die Kinder, die eigene Beschäftigung und sogar die Beschäftigung des Partners drehen. Männer dagegen liegen eher wegen Themen wie Finanzen oder ihrem eigenen Arbeitsverhältnis wach (vgl. Maume, Hewitt and Ruppanner, 2018).

Eine Studie von 2025 fand außerdem heraus, dass Mütter, die den Großteil der „cognitive household labour“ übernehmen, deutlich häufiger über Depression, Stress, Burnout und Beziehungsprobleme berichten als Väter. Die mentale Organisation des Familienlebens ist also nicht nur ein unsichtbarer Aufwand – sie ist nachweislich mit einer erhöhten psychischen Belastung verbunden.

Nur – in vielen Fällen kommt die eigentliche Arbeit sogar noch dazu.

Männer, wir müssen reden

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich möchte, dass es meiner Partnerin gut geht. Keinesfalls will ich zu etwas beitragen, dass ihr schadet.

Zudem: Was macht es mit einer Partnerschaft, wenn eine plant und macht und tut und die andere Person in dieser Partnerschaft (überspitzt gesagt) nur die Aufgaben erledigt, die ihm zugeteilt werden? Denn nach Augenhöhe hört sich das für mich nicht an. Und es ist sicher okay von seiner Frau im Scherz als der “besseren Hälfte” zu sprechen, aber ist es auch wünschenswert, dass dieser Scherz nah an der Realität ist?

Ich höre immer wieder von Beziehungen, die nach vielen Jahren auseinandergehen, und der Mann sagt: „Ich habe es gar nicht kommen sehen.“
Oft hat die Partnerin aber längst erklärt, wie schwer die Last ist. Mental Load ist kein neues Phänomen – viele Frauen benennen es seit Jahren.

Was also tun?

Ich finde, ein guter erster Schritt ist, das Unsichtbare sichtbar zu machen – und das Problem erstmal anzuerkennen.

Im Buch “Auch Männer können bügeln” spricht Eve Rodsky von einer “Shit-I-Do”-Liste. Analog dazu hab ich irgendwann mal eine Liste angefangen: Welche Aufgaben übernimmt häufig oder sogar meistens meine Frau? Ich hab mich da nicht auf “mental labour” beschränkt aber es ist auffallend wie oft es sich um Aufgaben handelt, an die man in irgendeiner Weise denken muss. Von der Initiative Equal Care gibt es auch einen Selbsttest zu Mental Load, der ganz hilfreich ist, wenn man(n) nicht selbst auf dem Schirm hat, was so alles zu tun ist.

Ihr könnt auch mit eurer Partnerin sprechen und sie fragen, wo sie das Gefühl hat, die Verantwortung allein zu tragen. Aber es besteht natürlich das Risiko, selbst die Verantwortung fürs Verantwortung übernehmen wieder an die Partnerin abzudrücken. Das sollte natürlich nicht sein.

Am Ende muss es darum gehen, die Gesamtlast – also von der Verantwortung für die Organisation bis hin zur Verantwortung fürs Haushaltseinkommen – fair zu verteilen. Hier hilft ein Abgleich zwischen Partnerinnen natürlich schon.

Und dann müsst ihr ins Machen kommen.
Verantwortung übernehmen heißt: Aufgaben so vollständig übernehmen, dass sie nicht mehr dran denken muss. Dazu gehört, die Aufgaben zu antizipieren, an Fristen zu denken, Folgeaufgaben einzuplanen – und all das ohne Nachfrage. Erst dann ist es wirklich eine Entlastung.

Ich gehöre zu den Menschen, für die “Denk doch einfach dran” klingt wie “flieg doch einfach los” – als ob wir alle mit Flügeln auf die Welt kämen. Deshalb bin ich der Meinung, dass es ein vertrauenswürdiges System braucht, an das man die mentale Last so weit wie möglich
auslagern kann. GTD ist eigentlich für Selbstorganisation gedacht – aber die Idee, Aufgaben aus dem Kopf raus in ein verlässliches System zu bringen, passt erstaunlich gut.

Unser System beinhaltet einen gemeinsamen Kalender und eine gemeinsame Aufgabenverwaltung, aber ich habe auch noch meine eigene Aufgabenverwaltung, in der eben nicht nur die Aufgaben von der Erwerbstätigkeit drinstehen, sondern alle Tätigkeiten für die ich mich verantwortlich fühle. Und das beinhaltet eben auch alles was den gemeinsamen Haushalt und unser Kind betrifft. Ich arbeite viel mit Erinnerungen, weil ich das eben brauche.

Wie das bei uns im Detail aussieht, erzähl ich irgendwann mal, weil dieses System noch work in progress ist.

Aber letztlich geht es um Folgendes:
Meine Frau dafür zu bewundern, an was sie alles denkt, reicht nicht aus. Also ja, ich sollte auch an all das denken, an was meine Frau denkt. Wennn ich das aber nicht kann, dann ist es eben meine Aufgabe, ein System zu finden, das mir dabei hilft trotzdem meinen fairen Anteil zu übernehmen. Im Job würde ich das doch auch tun.
Die Frau zur Managerin unseres gemeinsamen Lebens zu machen? Ich denke nicht. Lieber: Männer, ran an die Verantwortung.

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