Wenn das Leben lauter wird

Wenn du Vater wirst und Firmen ihre Mitarbeiter wie Verschleißteile behandeln, stellt sich die Frage von Prioritäten von ganz allein.

Written by Patrick Schönfeld · 2 min read >

Wenn du Vater wirst und Firmen ihre Mitarbeiter wie Verschleißteile behandeln, stellt sich die Frage von Prioritäten von ganz allein. Ein Text darüber wieso mir Produktivitätshacks und agile Methoden plötzlich relativ egal sind.

Ich bin im Februar Vater geworden.

Spätestens seit diesem Tag hat mein Interesse daran, wie ich im Job produktiver sein könnte oder wie man die Zusammenarbeit in Teams verbessert, ungefähr so stark nachgelassen wie mein Schlafpensum.



Natürlich liegt das auch daran, dass ich von agilen Arbeitsmethoden inzwischen ein bisschen desillusioniert bin. Aber darum soll’s heute gar nicht gehen.

Vielmehr hat die Geburt meines Kindes meinen Blick auf die Arbeit verändert. Es wirkt vielleicht eine Spur zu groß, zu sagen, dass mir plötzlich klar geworden ist, was wirklich wichtig im Leben ist. Ganz falsch wäre es aber auch nicht.

Und es war ja nicht nur die Geburt allein. Ein paar Ereignisse in meinem Berufsleben und in meinem direkten Umfeld haben ebenfalls dazu beigetragen. Unter anderem waren da zwei Stellenabbaumassnahmen (“Freiwilligenprogramme”) in rekordverdächtig kurzer Zeit, infolgedessen einige geschätzte Kollegen das Unternehmen verließen. Von den Ereignissen im direkten Umfeld, wie dort von Arbeitgebern mit ihren Arbeitnehmerinnen umgegangen wurde, fang ich erst gar nicht an.

Die Quintessenz? Mir wurde wieder einmal klar, dass Unternehmen selten den Menschen dienen, die in ihnen arbeiten. Egal wie viele Obstkörbe, Feelgood-Sprüche oder „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“-Versprechen etwas anderes suggerieren – am Ende geht’s halt doch oft darum, den Super- und Überreichen noch ein paar Eurönchen mehr zu verschaffen. Wusstet ihr übrigens, dass zwei Familien mehr als die ärmere Hälfte der deutschen Bevölkerung besitzen?

Naja. Vor dem Hintergrund, dass unser Kanzler selbst Millionär ist wohl auch nichts was sich so schnell ändern wird.

Und mal ehrlich: Wenn man es vom Ende her denkt, wird wohl kein Nachruf erwähnen, welchen tollen Code ich geschrieben habe, welche krasse SLA ich verteidigt habe oder welch Heldentat ich sonst so im Büro geleistet habe. Und es ist auch nicht besonders wahrscheinlich, dass einer der vielen Chefs, die ich hatte, an meinem Grab stehen würde. Ein paar Kolleginnen und Kollegen vielleicht – schließlich schließt man auf dem Weg ja doch die eine oder andere Freundschaft.

Nun ist es in diesem Blog ja schon länger etwas ruhiger geworden (ironischerweise handelt der letzte Artikel von der großen Resignation ), und meine Zeit für Nebenprojekte ist so viel weniger geworden. Aber ich habe diesen Blog trotzdem noch nicht ganz aufgegeben. Und ich denke, ich habe auch immer noch etwas zu sagen.

Vielleicht wird es nicht mehr so viel über agile Methoden gehen, aber doch hin und wieder über Teamwork und selbstorganisierte Teams. Denn – auch das gehört zur Wahrheit – in der Arbeitswelt war ein gutes Team sowas wie mein Anker, während wir uns im Privaten durch schlaflose Nächte und Berge aus vollen Windeln gekämpft haben und in der Firma der große Umbruch stattfand. Nebenbei hat mir das Team auch immer wieder gezeigt, dass Selbstorganisation zwar oft tricky und nicht fehlerfrei ist, aber mit den richtigen Leuten doch noch um einiges besser läuft als so manches, was „gemanagt“ wird.

Ziemlich sicher könnte sich das Themengebiet wieder ein wenig erweitern. So könnte es zum Beispiel mehr um Mental Health, Care-Arbeit und Mental Load gehen. Das sind nämlich Themen, die mich teils schon länger, teils seit der Geburt meines Kindes verstärkt beschäftigen. Und es ist fast sicher, dass (mindestens) ein Artikel über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und Friedrich Merz den Weg ins Blog finden wird. Und so viel sei verraten: Es wird wohl keine Lobeshymne sein.

Aber ich will nicht zu viel versprechen, denn wie gesagt: Ich habe eher weniger Zeit für Nebenprojekte. Obwohl (gerade weil) ich gerade in Elternzeit bin, kommt es mir sogar so vor, als hätte ich weniger Zeit als zuvor. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird hier wohl also keine Regelmässigkeit mehr einkehren. Ob das heißt, dass ich etwas falsch mache? Nun: stay tuned.


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