Kanban – Evolutionär statt Knall auf Fall

Scrum ist eine feste Größe im Projektmanagement. Aber muss es tatsächlich immer Scrum mit seinen festen Rollen und Ritualen sein? Eine weniger...

Written by Patrick Schönfeld · 3 min read >

Scrum ist eine feste Größe im Projektmanagement. Aber muss es tatsächlich immer Scrum mit seinen festen Rollen und Ritualen sein? Eine weniger invasive Alternative zu Scrum ist Kanban, das den Fokus vor allem darauf legt, den bestehenden Workflow zu verstehen und dann zu optimieren.

Kanban als Herangehensweise zur Organisation von Knowledge Work verfolgt im Vergleich zu Scrum einen eher evolutionären Ansatz. Statt mit der Einführung einer neuen Methode erst einmal alle Methoden, Verantwortlichkeiten und Positionen über den Haufen zu werfen und durch neue Rituale und Rollen zu ersetzen, fordert es in erster Linie ein Commitment auf schrittweise Verbesserung vorhandener Prozesse.

Die Prinzipien sind entsprechend übersichtlich:

  1. Starte mit dem, was du jetzt schon tust

  2. Einige dich auf inkrementelle, evolutionäre Anpassungen

  3. Respektiere den aktuellen Prozess, seine Rollen, Verantwortlichkeiten und Titel

Kleine Schritte gegen den inneren Schweinehund

Der Ansatz ist schon deshalb charmant, weil es leichter ist, kleinere Änderungen im Alltag umzusetzen als Knall auf Fall auf einen komplett anderen Workflow umzustellen.

Hinzu kommt: Wir Menschen scheuen Veränderung und reagieren darauf nicht selten mit Widerstand. Das gilt auch dann, wenn wir mit dem Status Quo nicht zufrieden sind und von einer Veränderung profitieren würden. So überwinden wir mit der kleinschrittigen Herangehensweise den inneren Schweinehund.

Damit gewinnt man Momentum – schließlich fallen kleine Verbesserungen immer leichter. Ganz wie beim Sport – wo es irgendwann leichter wird, sich selbst zu motivieren – indem man es einfach tut.

Unterstützende Praktiken

Ergänzend gibt es eine Reihe von Praktiken, die einen bei der Wandlung zum Besseren unterstützen sollen. Dabei machen alle Praktiken durchaus Sinn, aber auch hier ist eine schrittweise Einführung genauso legitim wie einzelne Praktiken nicht zu verwenden oder anzupassen.

Schließlich muss nicht alles zum eigenen Unternehmen passen. Statt einer Entscheidung aus dem Bauch empfiehlt es sich aber, Methoden auszuprobieren, bevor man sie ausschließt. Denn wenn wir wirklich von vornherein wüssten, was funktioniert, müssten wir uns über Verbesserung keine Gedanken machen.

Das sind die 6 Praktiken in Kanban:

Visualisierung

Um ein gutes Verständnis für die vorhandenen Arbeitsabläufe zu gewinnen ist es hilfreich, den Workflow durch Visualisierung für alle sichtbar machen.

Eine gängige Methode dafür ist ein Kanban-Board, das beispielsweise ein Whiteboard mit Spalten für die jeweiligen Arbeitsschritte (z.B. ToDo, Entwicklung, Test, Auslieferung) und Post-Its mit den eigentlichen Aufgaben sein kann.

Prinzipiell kann so ein Board auch digital sein – ideal ist aber, wenn man es regelmäßig vor Augen hat und wichtig ist auch, sich um das Board herum versammeln zu können.

Menge angefangener Arbeit („Work in Progress“) begrenzen:

Tausend angefangene Aufgaben und nicht eine Aufgabe, die alle Prozesschritte durchlaufen ist? Dagegen soll es helfen, die Menge angefangener Arbeit zu begrenzen. Mit diesen WiP-Limits soll sichergestellt werden, dass ein permanenter Fluss entsteht und Engstellen sichtbar werden.

Miss und steuere den Fluss

Wie kann man ändern, wenn man keine objektiven Daten darüber hat, was schlecht ist? Und wie kontrolliert man objektiv, ob es besser geworden ist? Damit Veränderungsprozesse nicht zum anekdotischen Nebelstochern mutieren, sollen für die jeweiligen Prozesse geeignete Messwerte (z.B. Durchlaufzeiten oder Wartezeiten von Aufgaben) erhoben werden. Auf Basis dieser Informationen kann man dann versuchen, den Fluss zu optimieren.

Mache die Regeln für den Prozess explizit

Versetzen wir uns in einen neuen Mitarbeiter: Welche Informationen braucht dieser, um den Prozess zu befolgen? Viel zu oft sind die gelebten Spielregeln nirgends festgehalten. So kommt es, dass viele verschiedene Varianten der Wahrheit kursieren. In Folge macht es jeder anders und es kommt zu gemischten Resultaten. Wenn wir die für den Prozess geltenden Regeln explizit machen, können Mitarbeiter ihr Handeln danach ausrichten. Ob sie es tun steht natürlich auf einem anderen Blatt.

Setze Feedback-Loops um

An allen Prozessen sind Menschen beteiligt und Menschen haben blinde Flecken für ihre Verhaltensweisen. Man kann aber eben nur ändern (oder zu ändern versuchen), wovon man weiß. Darum soll Feedback möglichst zwischen allen Beteiligten fließen – auch von Mitarbeitern zu Vorgesetzten. Das ist sicherlich einer der schwersten Punkte, weil hilfreiches Feedback geben und anzunehmen nicht immer leicht ist. Will man aber wirklich Verbesserung erzielen, sollte man versuchen darauf hinzuarbeiten.

Leichter fällt sicherlich die Einführung technischer Feedback-Systeme (beispielsweise automatische Tests) sofern im jeweiligen Kontext anwendbar. Aber Vorsicht: Niemand möchte mit nutzlosen Informationen geflutet werden.

Kontinuierliche Verbesserung – gemeinsam und wissenschaftlich

Schließlich sollte man mithilfe von kleinen Experimenten die stetige Verbesserung der Prozesse voran treiben.

Dabei können Modelle wie die Theory of Constraints (Engpasstheorie) oder auch das Lean Economic Model (Arten von Verschwendung und wie man sie vermeidet) helfen, um ein besseres Verständnis der begegneten Probleme zu erlangen.

Ebenfalls helfen Erkenntnis- und lösungsorientierte Meeting-Formate wie Retrospektiven und natürlich die erfassten Messwerte und Erkenntnisse aus den zuvor genannten Praktiken. So könnten beispielsweise Probleme aufgrund der WiP-Limits sichtbar werden, für die das Team unter Anwendung der Modelle Lösungsvorschläge erarbeiten kann.

Schließlich gilt es konkrete Veränderungen auszuprobieren und deren Wirksamkeit mithilfe der Messwerte zu kontrollieren. Sowohl bei der Analyse als auch bei der Lösungsfindung kann und sollte sich jeder beteiligen.

Womit beginnen?

Der erstbeste Schritt, wenn man mit Kanban starten möchte, ist sicherlich die Einführung einer Prozessvisualisierung und dem Erfassen von Messwerten.

Hierbei sollte man versuchen ein Pull-Prinzip zu etablieren. Das heißt: Die Aufgaben werden nicht verteilt, sondern die beteiligten Personen nehmen sich die Aufgaben, wenn sie dafür bereit sind.

Generell sollte die Eigenverantwortung gestärkt werden: Jeder kann zur Verbesserung beitragen – wenn man sie und ihn denn lässt (Stichwort: Entscheidungsbefugnis).

Und so kann eine Reise kontinuierlicher Verbesserung beginnen …

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