Für Manche sind agile Vorgehensmodelle (und speziell Scrum) die Hölle und erzeugen echtes Leid. Vor Scrum war alles doof, nachher aber auch. Der Agile Coach Tobias Ranft kennt einen Weg aus der Misere und hat darüber bei der FrOScon einen Talk („Seit wir Scrum machen ist alles super. Nicht.“) gehalten, der meiner Meinung nach gut gelungen war und von dem ich euch erzählen möchte.
“Ich bin nicht der riesen Vortragsprofi” beginnt Tobias Ranft seinen Talk recht erfrischend. Dafür hat der “Frischling” einer Agile Consulting Firma nicht weniger als den Ausweg aus der Scrum-Misere mitgebracht.
Nicht der Topf für jeden Deckel
Ausgangspunkt ist eine (leidige) Beobachtung aus seinem Alltag: Immer wieder hört er, dass mit Scrum alles schlechter geworden wäre. Dabei kann Scrum oder andere agile Vorgehen durchaus funktionieren. Nur ist es eben nicht der passende Deckel für jeden Topf. Und leider auch „Hard to master“ wie es schon der Scrum-Guide sagt. Was also tun, wenn sich Scrum wie ein Fremdkörper anfühlt? Wie das sprichwörtliche Salz in einer offenen, klaffenden Wunde?
Mit Experimenten aus der Misere
Sein Vorschlag sieht wie folgt aus:
- Kleine Schritte zur Verbesserung suchen und ausprobieren
Dabei nicht nach der perfekten Lösung suchen, denn das führt zu Stillstand. - Veränderungen ritualisieren:
Immer wieder etwas Neues versuchen und so Übung in kleinen Veränderungen schaffen. -
Transparenz über die Veränderungen und die erreichte Wirkung schaffen
Beispielsweise könnte man Zufriedenheitsumfragen durchführen. Dabei nicht verzagen, weil man plötzlich mehr Probleme sieht als vorher. Könnte nämlich sein, dass sie vorher schon da, aber nicht sichtbar waren. -
Immer wieder Zeit nehmen, um auf den Prozess zu schauen
Hierzu verglich er das Argument “Wir haben keine Zeit für Retrospektiven” mit zwei Baumfällern, die sich mit einer stumpfen Säge an einem Baum abmühen und ihm sagen, dass sie keine Zeit haben, um die Säge zu schärfen. Das ist bitter – oder?
(Am Rande: Mich erinnert die Analogie an Die 7 Wege zur Effektivität von Stephen R. Covey, der “Regelmäßig die Säge schärfen” als ein Prinzip für mehr persönlichen und beruflichen Erfolg sieht)
Ich empfehle den Talk im Ganzen anzusehen. Dank Youtube und dem Video-Team der Froscon ist das ja auch kein Problem.
Vote with your feet?
Ein Kumpel von mir hatte übrigens zwei Kritikpunkte an dem Talk: Erstens befürchtete er, dass man in manchen Unternehmen so ein Vorgehen nicht durchziehen könne. Weil beispielsweise Zufriedenheitsumfragen im besten Fall zur Unruhe, im schlechtesten Falle von oben nicht gewünscht sein und zur Kündigung führen könnten. Und ja: Diese Unternehmen gibt es (leider) und diese haben vielleicht in Punkto Agilität noch viel zu lernen. Vielleicht empfiehlt sich hier auch das “Vote with your feet”-Vorgehen: Wenn ein Unternehmen keine Verbesserung will, man selbst aber schon, dann kann es Sinn machen – zu gehen.
Zweitens erschien ihm das Vorgehen zu kompromisslos. So als müsse man zwingend etwas ändern, selbst wenn alle happy sind. Ich halte den Fall zwar für sehr unwahrscheinlich (Gibt es nicht immer etwas, was einen stört?), aber wenn doch ist doch alles Paletti und man muss sich gar keine Gedanken machen 🙂
Wenn alles tutti ist, fallen die Änderungen einfach etwas kleiner aus.
Quasi mikroskopisch klein 😉