Trockene Kommunikation: Warum es nicht allein auf Effizienz ankommt

Bei Kommunikation kommt es nicht auf Effizienz an. Sondern Effektivität.

Written by Patrick Schönfeld · 5 min read >
Trocken aber rissig: so sollte Kommunikation besser nicht sein

Im heutigen Artikel geht es darum, dass Kommunikation nicht allein von Kürze lebt – und ich mit besonders wortarmer Kommunikation mir auch ein Eigentor einhandeln kann während ein Fokus auf effektive Kommunikation allen Beteiligten nützen kann.

In der Softwareentwicklung und mittlerweile auch in anderen IT-Bereichen gibt es das DRY-Prinzip:

Don’t repeat yourself.

Obwohl man das vermuten könnte, geht es dabei nicht darum, durch eingesparte Tipparbeit eine kurzfristige Effizienzsteigerung zu erzielen. Viel mehr geht es darum, die mittel- und langfristige Pflege zu erleichtern, indem Änderungen nur an einer Stelle umgesetzt werden müssen.

Das DRY-Prinzip leistet gute Dienste und ist (begrenzt) auch auf andere Bereiche wie Dokumentation anwendbar. So macht es wenig Sinn zwei Versionen eines Dokuments zu haben: eine gepflegte Version und eine, die immer hinterherhinkt.

Dennoch ist „Don’t repeat yourself“ kein Allzweckwerkzeug und sollte mit Bedacht eingesetzt werden – schon deshalb weil es zusätzlichen Grips und damit Zeit erfordern kann, um das Prinzip sauber umzusetzen.

In diesem Artikel geht es mir um einen Aspekt, der vor allem bei zwischenmenschlicher Kommunikation zum Tragen kommt: die Gefahr von Informationsverlust.

So sollte ich, um ein paar typischen Kommunikationsproblemen entgegen zu wirken, ein paar Dinge bedenken:

  • Mein Kommunikationspartner verfügt oft über einen anderen Wissensstand als ich.
  • Jede Annahme über den Kenntnisstand meines Kommunikationspartners ist zunächst mal eine Hypothese, die richtig oder falsch sein kann. Wenn er oder sie nachfragen muss, lag ich wahrscheinlich daneben.
  • Viele Schriftstücke werden öfter gelesen als geschrieben – was übrigens oft auch für Code gilt.

Aus diesen Punkten folgt, dass es bei Kommunikation auf viel mehr als nur auf Effizienz ankommt.

So schreibt der Journalist und Sprachkritiker Wolf Schneider in seinem Buch „Deutsch für junge Profis – Wie man gut und lebendig schreibt“:

Wer nie missverstanden werden will, tut also gut daran, sich zunächst in die mutmaßlichen Erwartungen seiner Adressaten hineinzuversetzen, ihr Vorwissen einzukalkulieren – und, wenn er noch dazu gelesen werden möchte, mit der schönen Redundanz zu operieren (…)

Obwohl es in dem Buch um Texte geht, können wir daraus auch für Face-to-Face-Kommunikation eine wichtige Information mitnehmen: wenn wir verstanden werden wollen, sollten wir versuchen, uns erst einmal in unseren Kommunikationspartner zu versetzen.

Dabei geht es um zwei simple Frage:

  1. Kann mein Gesprächspartner für ihn wichtige Informationen mitnehmen?
  2. Stimmen Form, Inhalt und Informationsumfang mit seinen Erwartungen (und Bedürfnissen) überein?

Unser Kommunikationspartner könnte guten Grund haben, eine Lektüre beiseite zu legen – oder beim gesprochenen Wort freundlich zu nicken und schnellstens die Düse zu machen.

Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Informationsgehalt zu gering ist oder in einer schwer zu verdauenden Form dargelegt wird.

Kommunzieren als ob man verstanden werden will

Was müsste ich also tun, wenn meine Absicht darin besteht, verstanden zu werden?

Tipp 1: Überleg dir, mit wem du eigentlich kommunizierst

Die Antwort ist nicht so naheliegend, wie du denkst.

Klar ist: bei einem direkten Kommunikationstausch kennst du die Person meistens, während du bei Dokumentation überlegen musst, was für einer Zielgruppe deine Nutzer angehören.

Aber was weißt du noch über deinen Kommunikationspartner? Was kannst du außer Namen, Alter und Position in deine Kommunikation einfließen lassen?

  • Welche Fachkenntnisse hat er/sie (wahrscheinlich)?
  • Welche Erwartungen hat er? Ist er für flappsige Kommunikation zu haben, mag er es lieber sachlicher?
  • Gibt es No-Gos, die in früherer Kommunikation aufgetreten sind?

So gibt es etwa Leute, die empfindlich darauf reagieren, wenn man sie verbessert. Andere fassen all zu knappe Kommunikation als unhöflich auf.

Auch kannst du dich fragen, welche Dinge du in deiner Kommmunikation weglassen kannst: deine Vorurteile über deinen Kommunikationspartner zum Beispiel.

Worum es dabei nicht geht: es den Leuten auf Teufel komm raus Recht zu machen (das kann auch schnell nach hinten losgehen). Wir können aber zumindest berücksichtigen, was für den Anderen wichtig ist und erreichen damit bestenfalls, dass unser Kommunikationspartner zugänglicher für unsere Informationen wird.

Tipp 2: Überleg dir, was das Anliegen deines Kommunikationspartners ist

In der Praxis bedeutet das oft, die erste Einschätzung zu verwerfen und ein bisschen weiter zu denken.

Ein typisches Beispiel ist, dass ein Kunde mit ausschweifenden Erklärungen ein Problem beschreibt und wir ebenso ausführlich und mit einer Vielzahl von Fachbegriffen die technischen Hintergründe darlegen, aber dem Kunden keine Handlungsempfehlung geben.

Andererseits wirkt ein einzelner Satz ohne weitere Erklärungen schnell unhöflich und nicht jeder gibt sich damit zufrieden.

Der Trick besteht darin, das was man über die Person weiß und was er uns mitteilt zu verbinden: Manche Menschen wollen nur eine Handlungsempfehlung, andere wollen auch die Hintergründe erfahren. Nur den Sachverhalt darlegen ohne einen Hinweis auf die nächsten Schritte zu geben ist aber selten hilfreich.

Tipp 3: Überprüfe deine impliziten Annahmen über Selbstverständlichkeiten

„Das weiß man doch.“

Vom einfachen Angestellten über Teamleiter bis hin zur Geschäftsführung: alle haben diese Satz im Repertoire. In der Realität trifft diese Annahme nur in den allerseltensten Fällen zu.

Wir vergessen gerne, dass wir unser Wissen nicht in die Wiege gelegt sondern im Laufe der Zeit erworben haben. Auch Meinungen werden gerne mit Allgemeingültigem vermischt und dann wundern wir uns, wenn unser Kommunikationspartner anders reagiert als erwartet. Manchmal ärgern wir uns sogar, wenn andere nicht dasselbe wissen wie wir.

Dabei ist es eine simple Tatsache: niemand hat den exakt selben Wissensstand wie man selbst.

Tipp 4: Vermeide Wertungen, insbesondere wenn sie negativ sind

„Die zwei Leerzeichen zu tippen war wohl zu viel verlangt.“

Sätze dieser Art hab ich schon relativ oft in Code-Reviews und seltener auch in Mails gelesen und ich muss sagen: mich bringt sowas (wie viele andere) auf die Palme.

Wenn wir unsere Wertungen über das Verhalten oder gar die (von uns vermuteten) Absichten in unserer Kommunikation durchdringen lassen, bleibt das selten folgenlos. In den meisten Fällen wird es als Angriff aufgefasst und führt zu einer harrschen Reaktion. Passiert das öfter, kann es die Atmosphäre nachhaltig vergiften.

Natürlich kann Kritik gerechtfertigt sein, aber es gibt für alles Zeit und Ort und definitiv bessere Methoden als einen zynischen Kommentar.

Tipp 5: Bedenke (und überdenke) das Kommunikationsmedium

Unzählige Mails für ein Thema, das in einem 5-minütigen Telefonat abschließend geklärt werden könnte … das ist keine Seltenheit.

Wenn man die Wahl hat, sollte man also prüfen, ob auf ein anderes Kommunikationsmedium ausgewichen werden kann. Zumindest kann man jedoch immer die Besonderheiten des Kommunikationsmediums berücksichtigen.

Bei E-Mail oder schriftlicher Dokumentation bedeuten fehlende oder ungenaue Informationen schnell einen Zeitverlust, der den initialen Aufwand übersteigen kann. Außerdem lassen sich gewisse sprachliche Nuancen nicht so gut rüberbringen. Ein bisschen mehr initialer Zeitaufwand, ein paar zusätzliche Wörter oder einleitende Sätze können dagegen Wunder wirken.

Oder eben einfach mal zum Telefon greifen …

Bei Face-to-Face-Kommunikation oder im Telefonat können Rückfragen gestellt werden und wir erhalten direkte Rückmeldung (und wenn es nur ein verächtliches Schnauben oder Augenrollen ist). Mit mehreren kann die Kommunikation dagegen schnell ineffektiv werden und ein Gespräch dokumentiert sich (leider) auch nicht selbst.

Wer schonmal an Telefonkonferenzen teilgenommen hat, weiß wovon ich rede 😉

Tipp 6: Frag dich, ob man dein Geschreibsel auch in Eile, im Mittagstief oder schlechter Laune lesen will

Oft und gerne lesen wir nur flüchtig: da huscht unser Auge übers Blatt wie ein Eichhörnchen durchs Laub und sucht dabei nach Orientierungspunkten und spezifischen Informationen.

Darum sind folgende Dinge hilfreich:

  • Das Wichtigste zuerst!
  • Strukturgebende Elemente wie Überschriften, Tabellen, Listen und Absätze
  • Schlagwörter farblich oder durch Fettschrift hervorheben

Wenn wir wollen, dass unser Kommunikationspartner was mitnimmt und wir ihm vielleicht sogar ein Lächeln auf die Lippen zaubern wollen (was nachweislich positiv auf den Lernprozess wirkt!) kann es außerdem hilfreich sein von bildhaften Vergleichen und wohldosierter Redundanz Gebrauch zu machen.

Tipp 7: Mache von schriftlichen Notizen und Zusammenfassungen Gebrauch

Manche Menschen können sich alles merken oder glauben das zumindest.

Unsere Erinnerung ist allerdings nicht sonderlich zuverlässig: wir vergessen nicht nur Details, sondern erfinden sie auch unbewusst dazu. Manchmal erinnern wir uns an ganze Vorgänge, die nie stattgefunden haben. Deshalb helfen Notizen und Zusammenfassungen. Das gilt übrigens auch, wenn man gar nicht miteinander gesprochen hat: ein Kommentar an einer Code-Zeile, eine Notiz zu einem kniffligen Problem, das man gelöst hat … vielfach unbezahlbar.

Positiver Nebeneffekt: man kann Zusammenfassungen abstimmen und so ein gemeinsames Verständnis erreichen.

Tipp 8: Lass deinen Kommunikationspartner nicht suchen

Der letzte Tipp bezieht sich auf etwas, das mir besonders bei Softwaredokumentation auffällt: vollständige Dokumentation ist wertlos, wenn die wichtigsten Informationen nicht auffindbar sind.

Absolutes Minimum für gute Dokumentation ist:

  • eine Einleitung, die einen Überblick über das Dokument oder die Software oder was auch immer beschrieben wird
  • ein Inhaltsverzeichnis und aus Lesersicht formulierte Überschriften

Insgesamt sollte sich die Struktur an den folgenden Fragen orientieren:

  1. Wer liest?
  2. Was möchte die Person erreichen?
  3. Was kann ich realistisch als Vorwissen annehmen?

Wenn es das Kommunikationsmedium zulässt, helfen auch Verweise und Grafiken.

Effektive Kommunikation kann Zeit und Nerven sparen

Ich weiß, ich weiß.

Das klingt nach viel Arbeit und manchmal ist es das auch. Und selbst, wenn man sich alle Mühe gegeben hat, kann man trotzdem missverstanden werden.

Andererseits spart Effizienz bei Kommunikation in den allermeisten Fällen nur kurzfristig Zeit und trägt praktisch nie zur Vermeidung von Rückfragen bei. Ein wenig Aufwand in effektive Kommunikation stecken kann dagegen allen beteiligten Zeit sparen. Insbesondere zahlt sich das für Schriftstücke aus, die von vielen Personen oder mehr als einmal gelesen werden.

Und wenn es sonst nichts nützt: Kunde, Kollege, Chef oder Mitarbeiter können den guten Willen erkennen und so trägt es vielleicht wenigstens ein bisschen zu einem guten Miteinander bei.

Und „trocken“ im Sinne des DRY-Prinzips kann Kommunikation trotzdem sein: bei Software beispielsweise, indem man sie so selbsterklärend wie möglich macht.

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